„Die Würde des pflegebedürftigen, sterbenden Menschen ist antastbar!“

Beitrag von Claus Fussek (Dez.2013)

Bereits  bei der Einführung der Pflegereform (1995!) waren sich eigentlich alle einig, dass wir einen anderen Pflegebegriff brauchen. Nach über 20 Jahren (!) leidenschaftsloser  Diskussion hat das Bundeskabinett nun eine  Pflegereform beschlossen, die meilenweit an der Lebens- und Pflegerealität vorbeizielt.

Die menschenunwürdige „Minutenpflege“ bleibt erhalten. Wer Menschen nicht aktiviert und mobilisiert, sondern  „in die Betten pflegt“ wird finanziell belohnt!“ Eine hohe Pflegestufe bringt das  meiste Geld.  Bereits heute erhalten die meisten pflegebedürftigen Menschen wegen Pflegenotstand nicht die ihnen  rechtlich zustehenden Leistungen, Ich bin immer wieder fassungslos, dass so viele Menschen „in der Pflege“  Bescheid wissen, schweigen und mitmachen! Die Allianz des Schweigens und Wegschauens – auch der Kirchen ! – ist grausam … und ein Klima der Angst ist in sehr vielen Einrichtungen verbreitet.  Täglich erhalte ich Hilferufe (Anrufe, Mails, Briefe) von  verzweifelten , z.T. schon traumatisierten Pflegekräften und ohnmächtigen Angehörigen : „Ich kann das mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, nicht mehr verantworten! Das hat doch mit Würde nichts mehr zu tun! Ich kann sterbenden Menschen nicht einmal die Hand halten! Ich schäme mich, kann den alten Menschen nicht mehr in die Augen schauen!“ (usw) Was muss eigentlich noch passieren?  Offensichtlich haben „wir“  uns an die würdelosen, beschämenden Zustände in sehr vielen Pflegeheimen und Krankenhäusern bereits gewöhnt?  Bei diesem Thema kann es doch keine Gegner geben … niemand  ist gegen menschenwürdige Pflege! Es geht uns doch – früher oder später – alle an! In den Pflegeheimen werden unsere Eltern, Großeltern, Angehörige versorgt. Jeder, der  „es“ wissen will, kann sich doch täglich vor Ort, zu jeder Tages- und Nachtzeit, unangemeldet (!)  von der Lebens- und Pflegerealität in den Pflegeheimen persönlich überzeugen!

„Wer es nicht selbst erlebt hat, der kann es nicht nachvollziehen!“  Warum konfrontieren „wir“ nicht Politiker, Vertreter der Kostenträger und die Pflegefunktionäre unangemeldet  mit der Realität?

Ein (ernst gemeinter) Vorschlag („Selbsterfahrung“) :  Wenn im Bundestag wieder über Pflegereform und Sterbehilfe diskutiert wird, dann dürfen  alle Abgeordneten während der Debatte nicht zur Toilette gehen und können bei Bedarf eine („hochvolumige“) Windel wie im Pflegeheim erhalten.

„Was du nicht willst was man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu!“

Wir schämen und empören uns  nicht, dass  alte, kranke, pflegebedürftige, , hilflose, besonders schutzbedürftige und sterbende Menschen  am Lebensabend in sehr vielen Pflegeheimen und Krankenhäusern  würdelos und erniedrigend ver- bzw „ent“sorgt werden!  Wo bleibt der Aufstand der Anständigen? Wir müssen endlich den Mund aufmachen, Haltung zeigen und Verantwortung übernehmen! Es geht um Ehrlichkeit, Emotionen, Mitgefühl, Barmherzigkeit und Zivilcourage! Wer schweigt stimmt zu, macht sich mitschuldig! Wir  dürfen die pflegebedürftigen, sterbenden Menschen, ihre überlasteten Angehörigen  und  die (noch) engagierten Pflegekräfte nicht im Stich lassen!

Ein Pflegeheim ohne Hospiz- und Palliativkultur, ohne palliative ärztliche und pflegerische Versorgung kann und darf es nicht mehr geben.  Über deren selbstverständliche Finanzierung kann nicht ernsthaft verhandeln werden!

Auf einer Palliativstation, in einem Hospiz werden nur  wenige Menschen nach aktiver Sterbehilfe verlangen!

Selbst in vielen Heimen in christlicher Trägerschaft ist das Leitbild (LeiDbild?)

„Jeder Mensch hat seine unverlierbare Würde, die ihm von Gott verliehen ist“  nicht mehr umsetzbar!

Wenn wir es in gemeinsamer Verantwortung in dieser reichen Gesellschaft nicht sehr bald schaffen, dass wir allen pflegebedürftigen Menschen garantieren, dass sie im letzten Lebensabschnitt palliativ, schmerzfrei  versorgt werden können, dann dürfen wir diese verzweifelten Menschen auch nicht am Sterben hindern.  Wir werden dann uns dann offen und ehrlich in diesem Lande mit den Möglichkeiten der aktiven Sterbehilfe beschäftigen müssen … weil dann niemand mehr da ist der uns pflegt!

Selbstverständlich geht es auch anders ! Es gibt auch gut geführte Heime mit verantwortungsbewussten Leitungen und empathischen, selbstbewussten, (noch) motivierten, fürsorglichen  und kompetenten Pflegekräften!

Claus Fussek
Dipl. Sozialpädag. FH
Vereinigung Integrationsförderung e.V.  München
(Dez. 2013)

Mehr zum Thema siehe Buchveröffentlichung:   ES IST GENUG! Auch alte Menschen haben Rechte!  (Fussek/Schober) Knaur TB

 

….zum  Thema „Windeln“  ….

„Die alten Menschen (Kriegsgeneration), die sehr viel Leid erlebt, mitgemacht haben, die früher dafür gesorgt haben, dass ihre Kinder trocken (nicht) wund waren, die Windeln (mit der Hand gewaschen) häufig gewechselt haben …  die versorgen „wir“ jetzt pflegeleicht, um Zeit und Personal zu sparen mit hochvolumigen, saugfähigen Windeln  …

Bzw  die alten Menschen  trinken („freiwillig“?!) nicht soviel , trocknen aus,um dem Personal nicht soviel Arbeit zu machen…!    (…für 3500 EUR/Monat!)

Sie haben im Krieg  Hunger gehabt   …. jetzt stellen „wir“ ihnen das Essen hin ….. und räumen es wieder ab  ..“keinen Hunger gehabt“  …weil „wir“ keine Zeit haben ihnen in Würde das Essen zu reichen …. (zuviele) Menschen in deutschen Pflegeheimen und Kliniken  sind mangelernährt….!!!!

WO  LEBEN  WIR ???           Ein menschenverachtendes System!

 

Zum Foto: Das Foto stammt aus dem YouTube Video eines Windeltesters. Beim Anklicken können Sie die Bewerbung dieses „Hochleistungsinkontinenzproduktes“ sehen, das jeden Toilettengang überflüssig macht, weil es mehr als die durchschnittliche Tagesausscheidung eines Erwachsenen auslaufsicher speichert. Der Pflege wird hier viel Zeit  gespart.  (Anm.  Adelheid von Stösser)

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