Claus Fussek zieht nach 30 Jahren Bilanz

Claus Fussek Foto: Marcus Schlaf, 30.01.2018 gespeichert unter fussek8 SPERRFRIST: NACH ERST-VERÖFFENTLICHUNG IM MÜNCHNER MERKUR/TZ

Seit mehr als 30 Jahren  prangert Claus Fussek Missstände in der Pflege an; im öffentlich rechtlichen Fernsehen und anderen  Sendern, ungezählten Zeitungsartikeln, Büchern  und Vorträgen.   Als Deutschlands prominentester Pflegekritiker, fehlt er bis heute in kaum einer Sendung zum Thema.  Das bleibt auch der Politik nicht verborgen.  Als die Bundesregierung 2003,  rund 120 Personen für den  „Runden-Tisch-Pflege“ auswählte, war auch Claus Fussek geladen.  Dort lernten wir uns erstmals persönlich kennen.  Denn auch mir wurde die Ehre zu Teil, in diesem  vielversprechenden, bundespolitischen Projekt mitwirken zu dürfen.  Aufgeteilt in vier Arbeitsgruppen, sollte wegweisendes für die Pflege entwickelt werden.   Ich war Mitglied der Arbeitsgruppe IV, die die Pflege-Charta entwickelt hatte. Während der Präsentation des Entwurfs dieser Charta erlebten wir, wie Politik auf Wirklichkeit reagiert.  Konkret erlebten wir, wie die Trägervertreter der Leistungsanbieter (Wohlfahrsverbände, freie wie kommunale Träger)  erklärten, dass unter den bestehenden Rahmenbedingungen, eine Beachtung der  Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen  nicht zu gewährleisten sei.

Heimbetreiber leisteten quasi einen Offenbarungseid. Sie räumten ein, dass Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, weil das Personal nicht reicht.  Daraufhin regierte die Politik indem sie die Beachtung der Charta ins freie Ermessen stellte. Wer wollte, konnte in einer Art Selbstverpflichtung, die Pflege-Charta zum Qualitätsmaßstab erklären. Weder die offiziellen Prüforgane MDK und Heimaufsicht, noch Staatsanwälte und Richter orientieren sich an den in der Charta (auf die Handlungsebene heruntergebrochen) definierten Grundrechten.  Bis heute ist es jedem freigestellt, diese im Umgang mit Pflegebedürftigen zu beachten oder nicht.

Es war vor allem diese Erfahrung mit der Pflegepolitik, die uns 2005  bewogen hat, einen Verein zu gründen, um den Pflegebetroffenen eine Stimme zu geben und der Pflege eine andere Richtung.  Herr Fussek zählt somit zu den Gründungsmitgliedern. Bis heute stehen wir in regelmäßigem Austausch.  Viele Mitglieder sich durch ihn auf den Verein aufmerksam geworden.

Claus Fussek hat eine besondere Begabung, Alltagserfahrungen in der Pflege  zu versinnbildlichen und ins Verhältnis zu anderen Ereignissen zu setzen.  In seinem Büro sind die Wände tapeziert mit Ordnern, gefüllt mit  Zuschriften von Pflegekräften, Angehörigen und anderen, die sich Rat erhoffen oder einfach nur beschreiben was sie aufgeregt und bewegt hat.  Eine Klagemauer, die sich über mehr als 30 Jahre aufgetürmt hat, mit immer den gleichen Beschwerden und Missstandsschilderungen. Auch die Antworten der damit konfrontierten  Lobbyisten  und Politiker unterscheiden sich inhaltlich nicht.  Ein generelles Problem, Fehler im System will niemand einräumen.  Fussek  würde Einzelfälle hochkochen, die Pflege in Verruf bringen und so Schuld am schlechten Image tragen.

Abgehärtet von den jahrelangen Auseinandersetzungen und dem Wechselbad von Bewunderung und Anfeindungen,  hat sich Fussek eine ungewöhnliche Rethorik zugelegt,  allen  einen Spiegel vorzuhalten.  Beispiel:  „Es ist nicht Angela Merkel Schuld, dass eure Mutter aufgefordert wird, in die Windel zu machen, wenn sie aufs Klo muss.  Ihr seht doch wie das abläuft in den Heimen.  Aber ihr wollt es nicht wahrhaben, weil ihr die Mutter dann nicht dort lassen könntet. ……  Nicht Angela Merkel schreibt euch vor, Maßnahmen zu dokumentieren, obwohl sie nicht erbracht wurden.  Sie ist auch nicht Schuld an der Personalbesetzung.   Wer schreibt denn die Dokumentation, für die Heime eine „Eins“ bekommen?   Besser als „sehr gut“ geht nicht. Warum soll bei einem Notendurchschnitt von 1,4 mehr Personal eingestellt werden?“

Claus Fussek war schon so oft im Fernsehn, mit immer den gleichen Skandalbeispielen und Sprüchen. Er kann sich bald selbst nicht mehr hören und erklärt in jeder Runde: „Ich hätte so gerne Unrecht.“   Für die Lobbyisten ist er ein rotes Tuch, für das gebeutelte Personal  und Angehörige ein Hoffnungsträger.

Seine  Bilanz: 1987 – 2017

September 2017  ARD – Wahlarena:
Der  21  jährige  Auszubildende (Krankenpflege) Alexander Jorde  konfrontierte die Bundeskanzerlin  Angela Merkel  vor  laufender Kamera. In der Sendung  sagte er mit Bezug auf Art 1 Grundgesetz, dass die Würde der Menschen  in Krankenhäusern  und Pflegeheimen  „tausendfach verletzt“ werde.  Die Pfleger seien überlastet und für zu viele Patienten zuständig.

„DIE   ALTEN  MENSCHEN  LIEGEN   STUNDENLANG  IN IHREN  AUSSCHEIDUNGEN!“

(„DIE  MENSCHEN  LIEGEN  DOCH HEUTE SCHON IN DEN HEIMEN IN DER  SCHEISSE“ …ein paar Tage später in der ARD Sendung  „hart aber fair“)

A.Jorde:  „Diese  Menschen  haben  das Land aufgebaut, für unseren Wohlstand gesorgt“

Juni 1987
Der Vorsitzenden der Berufsgruppe der Altenpfleger, hält am 25. Juni 1987 in Hannover eine Rede mit dem Titel:  „WIR WOLLEN  NICHT  MITSCHULDIG WERDEN!“   Darin erklärt er u.a.:
„ES  IST  WÜRDELOS   IM  LAUFSCHRITT  ÜBER   DIE  STATIONEN   ZU  STÜRMEN.  ES  IST  WÜRDELOS  JEMAND  IN SEINEM  KOT  LIEGEN  ZU LASSEN, WEIL  DIE  ZEIT  FEHLT!“

Seit  über  30 Jahren (!!!!)  liegen alte, pflegebedürftige, hilflose, vollkommen ausgelieferte, besonders schutzbedürftige, sterbende  Menschen   „in ihren Ausscheidungen / Kot / Scheisse“ !!!

–  in zertifizierten, qualitätsgeprüften Pflegeheimen und Krankenhäusern in Deutschland  … mit  Bestnoten   und  „90 – 100 %  Bewohnerzufriedenheit“ !!! (Befragungen in Pflegeheimen)

Alle  wissen   Bescheid  –  Niemand schämt sich, keine gesellschaftliche Empörung, kein Mitgefühl, kein Aufschrei, kein Bedauern von Kirchen  und  Menschenrechtsgruppen  über diese grausamen, beschämenden  Formen der Demütigung, Erniedrigung  … über die  „tausendfache Verletzung der Menschenwürde“ !

Claus   Fussek  (Dipl. Sozialpädag. FH)    Jan. 2018

Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht. 

Längst steht Fussek nicht mehr alleine mit seiner Kritik.

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