Leben und Sterben wo ich hingehöre

Prof. Dr. med. Klaus Dörner hat viele wegweisende  Bücher und Veröffentlichungen geschrieben.  Im Kern geht es darum, Hilfesysteme  jenseits von Institutionen zu beschreiben, denn Heime sind nach seiner Erfahrung keine Orte wo Menschen die Unterstützung erhalten, die sie eigentlich brauchten.   Zu diesem Buch würde auch der Titel passen: Abschaffung der Pflegeheime.  Wie kein anderer setzt sich Dörner  für einen sozialverträglicheren Umgang mit  psychisch Kranken und Pflegebedürftigen ein. Ihm glaubt man, wenn er sagt, dass es möglich ist, Heime vollständig abzuschaffen.  Denn als Chefarzt einer psychiatrische Klinik in Gütersloh, hatte Dörner dafür gesorgt, dass alle Patienten nach und nach in ein ambulantes Versorgungsnetz entlassen werden konnten.   Er hat sozusagen die eigene Klinik geschlossen, in der Erkenntnis, dass die Kranken  dort keine Chance haben jemals reintegriert zu werden und ein normales Leben führen zu können.  Auch mit Blick auf Abstumpfung, Verrohung und andere unguten Verhaltensweisen, die sich das Fachpersonal im täglichen Umgang mit psychisch Kranken und demenziell veränderten  Menschen leicht angewöhnt,  sind  Langzeiteinrichtungen  problematisch.  Geballtes Elend  ist auf Dauer unerträglich.  Psychiatrien, Gerontopsychiatrien und Pflegeheime sind Orte in denen Menschen mit schwersten Problemen und in Krisensituationen zusammengesteckt werden, nicht selten in Mehrbettzimmer.   Einer ist schlimmer dran als der andere.  Eine Atmosphäre, die jeden belastet der ihr ausgesetzt ist, und sei es nur während kurzer Besuchszeiten.   Auch dies ist ein Grund dafür, warum es nur verhältnismäßig wenigen Heimleiter*innen gelingt, ein positives Klima zu erzeugen und aufrecht zu erhalten.  Mir sind einige bekannt, die mit besten Vorsätzen anfangen haben, jedoch früher oder später in das bekannte Fahrwasser  gerieten.

Sein 2007 erschienenes Buch, Leben und Sterben wo ich hingehöre,  ist ein Impulsgeber für alle, die der Auslagerung  von pflegebedürftigen alten Menschen in die Heime und der Auslieferung an die Profis entgegenwirken wollen. Dörner setzt große Hoffnung in die Selbsthilfekräfte  der Gesellschaft,  spricht vom dritten Sozialraum in Form eines nachbarschaftlichen, ehrenamtlichen Hilfesystem in der Gemeinde. Ganz im Sinne der Pflegeethik Initiative Deutschland e.V.  setzt er auf die Erkenntnis, »dass etwas inhaltlich Neues in der Regel nicht von oben, sondern nur von unten kommen kann«.

Klaus Dörner, den ich bei mehreren Anlässen persönlich kennen lernen durfte, konzentriert sich in seinen Werken auf die Möglichkeiten und Chancen.   So auch in der Pflege.  Seine Vision einer Gesellschaft die vollständig auf Heime verzichten kann, fällt bisher leider nicht auf fruchtbaren Boden.  In den Augen eines Jens Spahn, dürfte Klaus Dörner einer von gestern sein, der nicht ins digitale Zeitalter passt. Ein verschrobener Alter, dessen  einfach-geniale Lösungsgedanken an den Köpfen  smarter Politiker vorbeigehen.   In allen Parteien herrscht die Überzeugung vor, dass Deutschland weiterhin in Heime investieren muss, weil keine  bislang  in die andere Richtung zu denken gewagt hat.  Vergleichbar mit der Zeit, als ein Ausstieg aus der Atomkraft undenkbar erschien und folglich weitere Atomkraftwerke gebaut wurden. Hier gab es allerdings mit den Grünen eine Partei, die den Finger bei jeder Gelegenheit in die Wunde gelegt hat.  Bezogen auf die Pflege gibt es  bisher  keine Partei, die  einen Richtungswechsel für notwendig hält.

Die Schriften von Klaus Dörner und gleichgesinnten werden im Psychiatrie-Verlag verlegt: