Angesichts der Art und Häufigkeit schwerer Rechtsverletzungen im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen, zieht der Rechtswissenschaftler Prof. Alexander Graser in der Fersehdokumentation Der Pflegeaufstand folgende Bilanz:
„Man kann davon ausgehen, dass das wohl die intensivsten und quantitativ bedeutendsten Menschenrechtsverletzungen gegenwärtig in Deutschland sind.“
Diese Einschätzung teilt wohl jeder der als Betroffener, Angehöriger, Pflegekraft oder in anderer Funktion Zeuge der Abläufe und Praxis wird, wie sie sich hinter den schönen Fassaden, den leeren Versprechungen und den täuschenden Noten zeigen. Nach unserer Erfahrung sind gute Heime, die Ausnahme.
Derzeit sind rd. 3 Millionen Bundesbürger*innen pflegebedürftig, überwiegend handelt es sich um alte Menschen mit einer Demenzdiagnose. Die wenigsten von ihnen sind in der Lage ihre Rechte einzufordern. Wenn es in seltenen Fällen Angehörige gibt, die den Rechtsweg bemühen, wird ihnen regelmäßig vorgeführt, dass diejenigen Recht bekommen, die die Rechte Pflegebetroffener verletzen.
Auch bei den jüngsten Aktionen der Regierung zur Bekämpfung des Pflegenotstands, steht nicht die Not der Pflegebetroffenen im Vordergrund, sondern die der beruflich Pflegenden. Diese sind jedoch Teil des Systems. Wie zum Beispiel die Nachtwache, die sich brüstet mit 50 und mehr Bewohnern problemlos klar zu kommen. Eine bundesweit gängige Praxis die nur deshalb funktioniert, weil es üblich ist, altersgebrechliche, verwirrte Menschen medikamentös so einzustellen, dass sie sich abends um 7 hinlegen lassen und bis morgens um 7 liegen bleiben, um nur ein Beispiel systembedingter Rechtsverletzungen in der Pflege zu nennen.
Dieser Realität will die Pflegeethik Initiative Deutschland e.V. nun mit einer Rechtsoffensive für Pflegebetroffene entgegentreten. Zur Mitwirkung konnten wir den Rechtswissenschaftler Prof. Dr. jur Alexander Graser und den Rechtsanwalt Dr. jur. Christoph Lindner (siehe Titel Foto) gewinnen. Zwei Juristen, die mittels Verfassungsklage die Schutzpflichten des Staates gegenüber Pflegebetroffenen eingefordert hatten und dabei erfahren mussten, dass kein Regelungsbedarf gesehen wird. „Es muss vom System aus gesichert werden, dass die Würde des Menschen gewahrt bleibt“, erklärt RA Dr. Christoph Lindner. Beide wollen nicht hinnehmen, wie das Verfassungsgericht die Klage des VdK mit Verweis auf die zahlreich vorhandenen gesetzlichen Regelungen, Länderzuständigkeit etc. abgewiesen hatte. Den Wortlaut dieser Verfassungsbeschwerde sowie der Begründung der Verfassungsrichter finden Sie auf der Seite der Rechtswissenschaft Uni-Regensburg.
Mit dabei ist außerdem Prof. Dr. phil. Dr.med. Rudolf Hirsch, der als Facharzt und ehemaliger Leiter einer Gerontopsychiatrischen Klinik in Bonn, seit Jahrzehnten bereits die Missstände in der Pflege in Publikationen, Vorträgen und Fernsehsendungen beschreibt. Er gehört zu den ganz wenigen Ärzten, die bei Verhaltensauffälligkeiten nicht sogleich auf die üblichen Psychopharmaka setzen, sondern andere Behandlungsansätze favorisieren. Bekannt wurde Prof. Hirsch außerdem als langjähriger Vorsitzender des Bonner Vereins HsM-Handeln statt Misshandeln, den es als Verein heute jedoch nicht mehr gibt.
Am 14. Februar 2019 trafen sich, neben den vorgenannten, sechs Mitglieder des Vereins, um die Weichen für diese Rechtsoffensive zu stellen. Das Foto zeigt die neunköpfige Startergruppe (von links): Claus Fussek, Harald Spies, Simone Heimkreiter, Martin Bollinger, Adelheid von Stösser, Alexander Graser, Rudolf Hirsch, Christoph Lindner und Rebecca Mertineit.
Lesen Sie im weiteren den Beitrag von Harald Spies auf pflege-prisma.de.
Gerade erschienen: Erfahrung mit rechtlicher Betreuung im Pflegebereich