Die letzten Meter sind oft die Schwersten. Das wissen nicht nur Sportler, das erfahren die wohl meisten Menschen am Ende ihrer Lebenslaufbahn. Vor allem dann, wenn sie alleine dastehen oder aber von Personen, die keine (gute) Beziehung zu ihnen haben, betreut werden. Wer auf den letzten Metern schlapp macht, ist heute mehr denn je gefährdet, seine Würde zu verlieren. Angefangen mit der Prüfung seiner Bedürftigkeit, wobei der höchste Pflegegrad gleichzusetzen ist, mit einer amtlichen Bescheinigung völliger Unfähigkeit. Das Regelwerk unseres Gesundheits-, Pflege- und Betreuungssystems, setzt Anreize in die falsche Richtung. Es fördert Pflegebedürftigkeit – anstatt sie zu verhindern.
Mein Vater war bis zu seinem Tod im Mai 2016 in einer Weise selbstbestimmt, wie man es jedem nur wünschen kann. Als er erkannt hatte, dass ihm die Ärzte nicht mehr würden helfen können, bereitete er sich selbst und die gesamte Familie auf seinen Abschied aus diesem Leben vor. In der Art wie er dies tat, wird er allen die ihn auf seinen letzten Metern begleitet haben, ein Vorbild bleiben. Sein Trost, der auch uns tröstete, war seine tiefe Überzeugung, dass wir uns in unserer eigentlichen Heimat, jenseits der sichtbaren Welt, wieder sehen werden. Meine Beziehung zu ihm war vor allem geprägt durch ein gleichmaßen intuitives Verständnis vom Sinn des Lebens.
Demzufolge darf es uns nicht gleichgültig sein, in welcher geistigen Verfassung wir als Person (Geist-Seele-Wesen) „die Heimreise“ antreten. Vielmehr ist es wichtig, darauf zu achten, dass der Geist nicht verhungert und die Seele nicht verdursten. Wertschätzung und Zuwendung sind hier wesentliche Grundnahrungsmittel.
Wir dürfen es nicht zulassen, dass Menschen durch Fehldiagnose, Fehlbehandlung und einer hauptsächlich auf den Körper ausgerichteten Pflege, an Geist und Seele schaden nehmen. Unseren Körper, als sterblichen Überrest, lassen wir zurück. Nur soviel ist gewiss. Selbst denen, die sich keine Welt jenseits der uns sichtbaren vorstellen können, kann es nicht gleichgültig sein, welches Bild sie als Mensch, in der Erinnerung ihrer Hinterbliebenen zurücklassen.
Zur Person: Adelheid von Stösser-Vita 2020
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