Wie die Pflege vom Kopf auf die Füße gestellt werden kann.

Es sind jetzt 30 Jahre her, seit in Deutschland die Pflegeversicherung (SGB XI) mit großen Erwartungen eingeführt wurde.  Da hierdurch vor allem die stationäre Pflege gefördert wurde, erlebten wir in den Folgejahren  wie überall neue und größere Pflegeheime gebaut wurden und der Pflegemarkt mit jährlichen Wachstumsraten zur sicheren Bank für Investoren werden konnte.  Hingegen sehen sich pflegende Angehörige ausgenutzt. Obwohl diese in über  80 Prozent der Fälle die Pflege daheim gewährleisten, fließen rund 60 Prozent der Versicherungsleistungen in die stationäre Pflege.

Bilanz nach 30 Jahren Pflegeversicherung

Betrachten wir die Entwicklung seit Einführung der Pflegeversicherung (SGB XI), stellen wir fest, dass Deutschland im EU-Vergleich die höchste Wachstumsrate bei den Pflegebedürftigen wie auch bei den Kosten hat.  Außerdem besteht in keinem anderen Land eine nur annähernd so große Gefahr, das Ende seiner Lebenslaufbahn in einem Heim verbringen zu müssen.  Für 4000-5000 Euro pro Monat. Wer dort nicht bleiben will, wird  medikamentös  „führbar“ gemacht. Die Personalbesetzung in deutschen Heimen besteht  durchschnittlich aus nur einer Nachtwache für mehr als 50 hilfebedürftige, kranke, sterbende Menschen. Auch bei den Tagesangeboten und dem Essen wird oft am Nötigsten gespart.  Ein Heim, mit einem menschlich guten Geist zu finden, in dem sich Leitung und Mitarbeiter  vor allem dem Wohl der Bewohner verpflichtet sehen, kommt inzwischen einem Lotteriegewinn gleich.

Seit Einführung der Pflegeversicherung ist die Zahl der Pflegebedürftigen von  1,1 Million (Ende 1995) auf 5,7 Millionen (Ende 2024) gestiegen.  Einen Hauptgrund für diesen unerklärt hohen Anstieg  sehen wir im falschen Anreiz, den die Pflegeversicherung setzt. Sie fördert den Pflegebedarf, indem  eine Verschlechterung des Zustands finanziell belohnt, hingegen das Bemühen um eine Verbesserung bestraft wird, weil dann monatlich weniger Geld zur Verfügung steht. Die jährlichen Ausgaben für die Pflege verzwölffachten sich sogar seit 1995, von 5 Milliarden auf 60 Milliarden Euro.  Und obwohl wir Bürger regelmäßig mit höheren Versicherungsbeiträgen belastet werden,  fehlen in der Pflegekasse angeblich 10 Milliarden Euro.

Früh schon zeigten sich eklatante Webfehler dieser Versicherung, die jedoch nicht Gegenstand  seitheriger Reformbemühungen wurden, sondern Begehrlichkeiten weckten und den bürokratischen Aufwand verstärkten.  Mit dem Ergebnis, dass zehntausende Pflegefachkräfte  nicht mehr in Einrichtungen oder bei Pflegediensten arbeiten, sondern beim Medizinischen Dienst der Kassen (MDK). Dort besteht ihre Arbeit darin Anträge auf Pflegeleistungen  zu bearbeiten.  Mit der Reform 2017 wurde das Bemessungsverfahren von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade umgestellt. Zur Einschätzung des Grades der Pflegebedürftigkeit wurde ein 30-seitiger Fragenkatalog und ein Punktesystem entwickelt. Ein wahres Meisterstück der Bürokratie. Die man ja eigentlich abbauen will.  Dennoch ist die Zahl der Widersprüche, mit denen sich dann die Rechtsabteilungen der Kassen befassen müssen, nach wie vor hoch. Wer z.B. mit wenigstens Pflegegrad 3 gerechnet hat, also monatlich mit rund 600€ Pflegegeld, aber nur Pflegegrad 2 zugesprochen bekommt, sprich zweihundert Euro weniger, und den Eindruck hat, dass die Gutachterin den Ermessensspielraum bei den Fragen jeweils im Sinne ihres Dienstgebers (der Versicherung) genutzt hat, beschwert sich.

Nach Einführung des neuen Bemessungsverfahrens  stieg die Zahl der Menschen mit einer anerkannten Pflegebedürftigkeit  jährlich um mehr als 300.000. Bis dahin waren im Jahr rund 100.000 hinzugekommen.

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, hatte die Zahl der Pflegebedürftigen im Dezember 2021 bei knapp 5,0 Millionen gelegen. Die starke Zunahme um 730 000 Pflegebedürftige (+15 %) weist darauf hin, dass sich hier auch noch Effekte durch die Einführung des weiter gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriffs zum 1. Januar 2017 zeigen. Seither werden Menschen eher als pflegebedürftig eingestuft als zuvor. Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst in stärkerem Maße, als durch die Alterung der Gesellschaft erwartbar ist.  Quelle: destatis.de

Tatsächlich verleitet die jetzt vorliegende Definition der Pflegebedürftigkeit dazu, das  Leistungsangebot  auszuschöpfen.  Ältere Menschen oder Menschen mit leichter Behinderung, die früher stolz waren, ihren Haushalt trotz Einschränkungen ohne Fremdhilfe bewältigen zu können, fragen heute regelmäßig bei Pflegediensten nach einer Putzhilfe. Denn die Kosten werden ab Pflegegrad 1 über den Entlastungsbetrag (bis zu 131 Euro im Monat) von der Versicherung übernommen.

Hier einige Beispiele erlebter Praxis: Frau M., 85 Jahre, hat seit ihrem Unfall im Sommer 2022 Pflegegrad 3. Obwohl sie bereits wenige Monate nach der Operation fast alles wieder selbst erledigen konnte, bezieht sie bis heute monatlich 600 Euro Pflegegeld. Von diesem Geld gibt sie allenfalls 100 Euro für Taxifahrten zu Arztterminen aus. Die übrige Versicherungsleistung, für die sie gegenwärtig keine Hilfeleistungen in Anspruch nimmt, versteht Frau M. als Vorsorge: „Wer weiß, was noch kommt.“ Ihre Putzhilfe wird über den Entlastungsbetrag abgerechnet.  Kürzlich fragte mich Frau M., ob ihr nicht auch noch „Verhinderungspflege“ (bis zu 3000 Euro jährlich) zustünde. Ich entgegnete,  sie habe/brauche doch niemanden der sie pflegt. … Ja, aber ihre  Bekannte würde den Betrag einsetzen, um in Urlaub zu fahren. Damit der Antrag auf Verhinderungspflege anerkannt wird, habe diese einfach ihren Sohn als pflegenden Angehörigen angegeben, der urlaubsbedingt verhindert sei, obwohl der nichts für sie tue.  Oder in einem anderen Fall hatte der Seniorenbeirat  einer rüstigen 84-Jährigen, die ihre Miete nicht mehr zahlen konnte, geraten, einen Pflegeantrag zu stellen.  Bei der Begutachtung müsse sie sich nur etwas „schusselig“ verhalten und über diverse Wehwehchen klagen. In ihrem Alter wäre  mindestens Pflegegrad 2 drin, wodurch sie dann rund 400 Euro monatlich mehr auf dem Konto habe.  Ich könnte jetzt hier seitenlang weitere Beispiele aus der Praxis nennen. Auch ambulante Pflegedienste kennen solche Beispiele. Wenn diese sich mit Kritik zurückhalten, so weil das Regelwerk des SGB XI Leistungsanbieter regelrecht verleitet, Leistungen abzurechnen, die nicht erbracht wurden. Nur selten wird ein Betrugsfall entdeckt.  Mehr dazu siehe u.a. auf der Seite DMRZ
In zahlreichen Beiträgen und Eingaben an die Politik, habe ich auf die negativen Auswirkungen dieser Versicherung hingewiesen und beschrieben, wie Pflege statt dessen organisiert und finanziert werden sollte.

Denkverbote in der Pflegepolitik verschärfen die Lage

Bisherige Reformen scheiterten nicht zuletzt an diversen Denkverboten. Das SGB XI, die gesetzliche Pflegeversicherung, steht wie in Stein gemeißelt. Koste es was es wolle. Bemühungen in Richtung Bürgerversicherung hatten bisher keine Chance. Lösungsansätze anderer Art wurden gar nicht erst diskutiert.

Stattdessen häufen sich Hilferufe von Kommunen, die die Last der steigenden Heimkosten nicht mehr tragen können. Denn nicht nur die Heimkosten steigen,  auch die Altersarmut verzeichnet jährliche Steigerungen.  Kommt beispielsweise ein alter Mensch mit Pflegegrad 3, der zu Hause mit rund 1.200 Euro Einkünften leben konnte, in ein Heim das  monatlich rund 4000 Euro kostet, wird die Sozialkasse mit rund 1.500 Euro belastet. Jeden Monat.  Denn die Pflegekasse zahlt bei Pflegegrad 3 derzeit 1.319 Euro.  Da kann sich jeder Bürgermeister ausrechnen, wie viele sozialhilfebedürftige Heimbewohner seine Stadt verkraftet.  In den ersten Städten kommt es bereits zu Reaktionen, wie dieser: swraktuell

Da das jetzige System einem toten Pferd gleicht, auf dem schon viel zu lange herumgeritten wurde, stellt sich die Frage, wie lange unser Staat die Folgen noch tragen kann. Wenn wir heute bereits Schuldenberge bei den Pflegeausgaben anhäufen und die Politik  nur noch in Richtung Leistungskürzungen agiert,  welche Aussichten haben dann die Alten und Pflegebedürftigen morgen?  Abgesehen davon herrscht Pflegekräftemangel. Zehntausende Stellen können nicht besetzt werden. Ohne die zahlreichen illegalen Hilfskräfte aus Osteuropa, die in deutschen Pflegehaushalten arbeiten, wäre unser System längst zusammengebrochen.

Seitens der Bundespolitik erleben wir hilfloses Schulterzucken. Nicht den Hauch einer Idee, wer sich um die „Boomer-Generation“ kümmern soll, die jetzt gerade ins Rentenalter kommt. Darunter sehr viele, die in der Pflege gearbeitet haben und jetzt durch ihr Ausscheiden den Personalnotstand verstärken.  Angesichts des demografischen Wandels ist es nur eine Frage der Zeit bis die sozialen Systeme zusammenbrechen. Die Zuwanderung sozialhilfebedürftiger Menschen beschleunigt diese Entwicklung.

Ohne ein grundsätzliches Umdenken und Umsteuern wird es bald nur noch denjenigen möglich sein, Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen, die die steigenden Versicherungskosten zahlen können. Wie wir das aus anderen sozialschwachen Ländern kennen, wird es dann auch hierzulande eine zunehmend verarmende Bevölkerung geben, die auf humanitäre Hilfe angewiesen ist und sich selbst behelfen muss.

Maßnahmen zur Bewältigung des demografischen Wandels

2022 führte das Allensbacher Institut für Demografie eine Untersuchung durch, mit der Frage: „Was halten Sie für besonders wichtig, um den demografischen Wandel in den Griff zu bekommen?“ Befragt wurden 1.234 Menschen im Alter von 16-70 Jahren. Die Antworten sind insofern bemerkenswert, als sie die Bedeutung der Pflege unterstreichen.  „Familien fördern, die ihre Angehörigen pflegen.“ wurde an zweiter Position der Wichtigkeitsskala angeführt. Knapp hinter: „Dafür sorgen, dass der Pflegeberuf attraktiver wird“. „Mehr Plätze zur Pflege und Betreuung schaffen“, rangierte auf Platz 4.  Auf Platz 10: „Die Staatsverschuldung abbauen, um die Belastung für die
jüngere Generation zu senken.“   Ganz anders sieht die politische Prioritätenskala aus. Dort rangiert die Pflege im unteren Drittel.

Vor allem wäre es wichtig, die Familie, als Keimzelle der Gesellschaft, zu stärken. Die heute erlebte staatliche Bevormundung kennzeichnet eine Entwicklung in die falsche Richtung. Unser System ist viel zu kopflastig geworden und bläht sich immer weiter auf. Vieles könnte einfacher, effektiver und auch kostengünstiger geregelt werden, von Menschen, die wissen, worauf es ankommt. Regierungen, die ihren Bürger bis ins Kleinste meinen vorschreiben zu müssen, was sie zu tun oder zu lassen haben, erzeugen Abhängigkeiten, Unfrieden und Armut.

Am Beispiel der Pflege lässt sich zeigen, wie mit verhältnismäßig einfachen Mitteln unser festgefahrenes System wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden kann.

Dezentralisierung: Pflege als kommunale Aufgabe neu strukturieren.   

In erster Linie ist es die Familie, die gestärkt werden müsste, so dass sie in der Lage ist, ein pflegebedürftiges Mitglied zu betreuen, ohne selbst zum Sozialfall  zu werden.  Aktuell werden rund  80 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause betreut. Wobei die Angehörigen jedoch meist auf sich gestellt sind. Hier könnten wir von anderen Ländern lernen, wie es menschlicher und kostengünstiger geht.  Pflegekräfte die z.B. das System in Dänemark oder Schweden kennen gelernt haben, würden nicht mehr in Deutschland arbeiten wollen.  Denn dort kümmern sich ambulante Teams darum, dass die Menschen in ihren Häusern/Wohnungen die nötige Hilfe erhalten, so dass Angehörige genügend Freiräume haben und sogar berufstätig bleiben können.   Da die Organisation und Sicherstellung der Pflege Aufgabe der Kommunen ist, werden Städte und Gemeinden über die Steuereinnahmen finanziell entsprechend ausgestattet. Die Bürger zahlen also nicht in eine Pflegeversicherung, die  hohe Personalkosten verursacht und der Praxis tausende Fachkräfte entzieht.

In einem dezentralen System werden die Steuern so bemessen, dass die jeweilige Kommune die notwendigen Fach- und Hilfskräfte einstellen und diesen Fahrzeuge und Räumlichkeiten zur Verfügung stellen kann.  Benötigt ein Bürger Unterstützung, muss er nicht erst bei seiner Kasse  oder bei einem Pflegestützpunkt anrufen, um das Prozedere zu erfragen und die Kostenübernahme zu beantragen; sondern er wendet sich an die zuständigen Personen in seiner Stadt. Sodann wird sein konkreter Hilfebedarf von einer Pflegefachkraft direkt vor Ort, also bei ihm zu Hause festgestellt. Nach Möglichkeit im Beisein eines Angehörigen. Gemeinsam wird ein Hilfeplan erstellt, dessen Umsetzung von der zuständigen Fachkraft organisiert wird.  Wenn der Hilfebedürftige zu  bestimmten Zeiten eine Begleitung benötigt, bekommt er diese. Kann er z.B. nicht mehr selbst kochen, wird ihm das Essen gebracht oder er hat die Möglichkeit, an  einem Mittagstisch teilzunehmen, den die Gemeinde bedürftigen Bürgern anbietet. Bedürftige können Fahrdienste in Anspruch nehmen, die sie zu Terminen begleiten.  Die Kosten dieses Services könnten ebenfalls über das der Kommune zustehende Budget beglichen werden.

Niemand sollte  deswegen ins Heim müssen, weil seine Ernährung und Pflege nur dort sicher gestellt werden können. Das setzt voraus, dass genügend Tagesbetreuungsplätze vorgehalten werden. Wie eine Stadt die Anzahl der benötigten Kitaplätze abschätzen kann, kann sie auch den Bedarf an Tagesbetreuungsplätzen ausrechnen, einschließlich der erforderlichen  Räumlichkeiten und des Personals.  Sofern nächtliche Betreuung erforderlich oder zeitweise eine stationäre Unterbringung angezeigt ist, sind verschiedene Optionen denkbar: Angefangen von der 1:1 Betreuung, vergleichbar einer 24-Stunden-Hilfe bei uns, bis zur Nachtbetreuung in einer Einrichtung. Auch Kurzzeitpflegeplätze, Pflege-WGs  und „Demenzdörfer“ sollten Teil des  kommunalen Pflegenetzes sein.

In Skandinavien arbeiten die überwiegend kleineren stationären Einrichtungen mit den ambulanten Pflegezentren der Kommune zusammen. Zumeist befinden sich diese in der Trägerschaft der Kommune.

Pflegefachkräfte sind im kommunalen System nicht mit der Stoppuhr unterwegs, um  „Sachleistungen“ an möglichst vielen Kunden zu erbringen. Sie dürfen ihre soziale und fachliche Kompetenz ausleben.

Pflege in kommunaler Selbstverwaltung, wäre auch hierzulande recht kurzfristig umsetzbar. Zumindest in Form regionaler Projekte. Diese Organisationsform ist selbstredend und würde bei den Fachleuten und Helfenden die nötige Initiative und Kreativität  freisetzen, die unser jetziges System blockiert.

Den größten Vorteil eines dezentralen Pflegesystems sehe ich jedoch in der Prävention. Durch frühzeitig einsetzende, auf die tatsächlichen Bedürfnisse eingehende Hilfe, könnten zahlreiche Arztbesuche vermieden, Behandlungen und Medikamente eingespart und eine  hochgradige Pflegebedürftigkeit oftmals verhindert werden.  Je besser es einer Kommune gelingt, ihre Bürger vor einer Langzeitpflegebedürftigkeit zu bewahren oder wieder in die Selbständigkeit zurückzuführen,  desto mehr Geld bleibt für anderes übrig.

Von der staatlich übergestülpten Bürokratie zur kommunalen Selbstverwaltung!

Deutschland sollte schrittweise diesem Beispiel folgen und die  pflegerische Versorgung komplett in kommunale Hände legen.  Der Bund sollte die  Pflegeversicherung streichen und den Bundesländern  die finanzielle und strukturelle Regelung der Pflege  überlassen.  Ohne WENN und ABER!  Das gilt auch für zahlreiche zweifelhafte gesetzliche Regelungen, die derzeit von Bundesebene übergestülpt sind.

Die Pflege eines Menschen kann von den Mitmenschen am besten geleistet werden, die nahe dran sind. Pflege auf die Füße zu stellen, bedeutet in erster Linie der Familie die nötige Unterstützung zukommen zu lassen. Sofern keine Angehörigen da sind, wären Menschen aus dem regionalen Umfeld die Nächsten.  Bürgermeister und Mitglieder der Gemeindeverwaltung kennen die Menschen und Gegebenheiten im Ort. In dem Fall, dass die gewählten Ortsvorsteher keine Abhilfe schaffen, sollten sich Betroffene an eine übergeordnete Instanz im jeweiligen Bundesland wenden können.

Zum Fußvolk in der Pflege gehören auch Pflegefachkräfte sowie alle, die beruflich oder ehrenamtlich Menschen mit Pflegebedarf unterstützen.  Pflege auf die Füße zu stellen, bedeutet, sich an denen zu orientieren die vor Ort die Hilfe und Pflege erbringen.

Es sollte genügen, würde von staatlicher Seite die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen zum allgemeingültigen Maßstab erklärt.  Die Umsetzung einer menschenwürdigen Pflege  können die Verantwortlichen vor Ort sehr viel besser und mit Sicherheit auch sehr viel kostengünstiger bewerkstelligen.

Wie schnell von staatlicher Seite diese Charta ignoriert wird, mit menschenunwürdigen Folgen, hat uns die Corona-Zeit gelehrt, in der die von Bund und Ländern vorgeschriebenen Verordnungen meilenweit übers Ziel hinaus geschossen sind. Gerade in den Heimen, wo es m.E. wegen der Anordnungen die allermeisten „Corona-Toten“ gab: Kranke und Pflegebedürftige wurden isoliert.  Personal ohne Symptome, jedoch mit positivem Test oder Kontakt zu positiv Getesteten, musste in häusliche Quarantäne. Mit dem Ergebnis, dass Bewohner oft tagelang nicht versorgt wurden, weil schlicht kein Personal da war.

Rückbesinnung auf das  Subsidiaritätsprinzip 

Vergessen scheint das Subsidiaritätsprinzip, das eigentlich unserer föderalistischen Ordnung zugrunde liegt.  Es setzt auf größtmögliche Eigenverantwortung und Selbstbestimmung des Individuums, der Familie oder der Gemeinde. Höhere  Institutionen wie Landes- oder Bundesregierung sollten nur dann regulativ eingreifen, wenn die niedrigere Hierarchie-Ebene nicht in der Lage ist, eine Aufgabe zu lösen. Bezogen auf die Pflege bedeutet dies: Für die Pflege eines Kindes, eines  kranken, alten und sterbenden Menschen ist in erster Instanz dessen Familie zuständig.  Kann die Familie dieser Aufgabe nicht in gebotenem Maße nachkommen, etwa weil die Angehörigen zu weit weg wohnen oder erwerbstätig sind, wäre als nächste Instanz die betreffende Kommune gefordert, sich zu kümmern. In dritter Instanz wäre der Kreis dafür zuständig, die  Voraussetzungen zu schaffen, dass alle Bürger im Bedarfsfalle die nötige Hilfe und Pflege erhalten.   Die Landesregierung wäre die vierte Instanz, und die Bundesregierung müsste sich erst dann einschalten, wenn ein Land sichtbar überfordert ist oder um Hilfe bittet.

In der Realität erleben wir gegenwärtig ein krasses Gegenmodell. Indem Deutschland vor Kurzem die internationalen Vorschriften der WHO anerkannt hat, gab der Staat seine Souveränität in Gesundheitsbelangen an eine vermeintlich übergeordnete Organisation ab. Und dies ungeachtet der Verflechtungen mit der Pharmaindustrie, die über die WHO weltweite Absatzsteigerungen für Impf- und Arzneistoffe generiert. Die WHO ist auch deshalb eine gefährliche Organisation, weil sie keine Verantwortung für ihre Vorschriften oder Empfehlungen übernimmt. Mir ist es unbegreiflich, wieso sich Staaten freiwillig dieser Nicht-Gewählten-Organisation (NGO) unterordnen.

Die Pflegeethik-Initiative Deutschland e.V. wurde vor 20 Jahren gegründet, weil bereits damals häufig ein entwürdigender Umgang mit pflegebedürftigen Menschen beobachtet werden musste.  Bis heute wird zum Beispiel die gängige Praxis der medikamentösen Ruhigstellung hingenommen.  Anstatt die Pflege durch Angehörige zu stärken und kommunale Netze auszubauen, wurde die Sorge um das Wohl unserer alten Mitmenschen dem freien Markt überlassen.  Anstatt  zu kommunalisieren, wurde  kommerzialisiert.  Wir sollten anfangen, diesen Fehler zu korrigieren.

Adelheid von Stösser,  Juli 2025

 


Weiterführende Informationen:

Das Titelfoto wurde während einer  Verantstaltung des NDR in Siegburg aufgenommen: Pflege wird zum Stadtgespräch  

Vorbild Skandinavien: Ein Vergleich zum Deutschen Pflegesystem

Wie die Dänen den Herausforderungen der Pflege begegnen

Wenn Pflegeplätze zu teuer werden.

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Weitere Reformgedanken:

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