Besuchsverbote in Pflegeheimen sind unmenschlich und unverhältnismäßig. Sie sind daher sofort aufzuheben!
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Das Risiko, an einer Infektion mit dem Corona-Virus (SARS-CoV-2/Covid-19) schwer zu erkranken oder daran zu versterben, muss in ein vernünftiges Verhältnis zu anderen Todesursachen und zum Sterberisiko überhaupt gesetzt werden.
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Menschen, die statistisch zu einer Risikogruppe gehören, dürfen nicht pauschal ihrer Grundrechte beraubt werden.
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Die zur Eindämmung der Corona-Infektion auf Bundes- und Länderebene verhängten massiven Schutzbestimmungen beruhen nicht auf gesicherten Erkenntnissen ihrer Wirksamkeit. Mildere Maßnahmen wurden bisher nicht einmal in Erwägung gezogen.
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Der Schutz von in Einrichtungen lebenden Menschen vor Infektionen ist durch mildere Maßnahmen sicher zu stellen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben und generell beachtet werden sollten.
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Menschen, die von Vorerkrankungen geschwächt am Ende ihrer Lebenslaufbahn angekommen sind, benötigen vor allem menschliche Zuwendung und ggf. Leidenslinderung. Bei diesen ist eher Palliativpflege angezeigt und eben gerade keine leidensverlängernde „Lebensrettung“ auf Intensivstationen oder an Beatmungsgeräten.
Aktuelle Gefahrenlage: Ein unhaltbarer Zustand
Zur Vermeidung von Corona-Infektionen in Pflegeeinrichtungen setzen Bund und Länder auf die Minimierung der Kontakte. Nur das Stammpersonal soll Kontakt haben. Angehörige, rechtliche Vertreter, Physiotherapeuten, Logopäden, Fußpfleger*innen, Friseure, ehrenamtliche Begleiterinnen, ja sogar Fachärzte und Seelsorger, haben keinen, oder nur in Ausnahmefällen Zutritt. Seit dem 13. März dürfen Angehörige nicht mehr rein und Bewohner nicht mehr raus aus dem Heim. Bewohner, die sich außerhalb des Heimes mit Angehörigen aufhalten und mit einem Angehörigen im Garten der Einrichtung spazierengehen, werden behandelt wie Personen, die aus einem ausgewiesenen Corona-Krisengebiet kommen und deshalb zunächst 14 Tage in Quarantäne müssen. Im Pflegeheim bedeutet dies, sie dürfen ihr Zimmer nicht verlassen.
Trotz dieser angeordneten Besuchsverbote, die mehr oder weniger rigoros umgesetzt werden, häufen sich die Infektionsfälle in Heimen. Fast täglich geraten weitere Corona-Heime in die Schlagzeilen. Gut ein Drittel der „Corona-Toten“ sind Bewohner*innen von Pflegeheimen. Nicht mitgerechnet jene, die ins Krankenhaus verbracht wurden und dort verstorben sind (Ärzteblatt 23.04.2020). Es hat sogar den Anschein, dass sich in den Heimen die Infektionswellen erst richtig ausbreiten, seit nur noch das Personal Kontakt zu Bewohnern hat. Die Gründe dafür liegen auf der Hand:
Wie jeder Klinikhygieniker bestätigen kann, werden Krankheitserreger so gut wie nie durch Besucher eingeschleppt oder verbreitet, sondern fast immer über das Personal. In erster Linie durch das Pflegepersonal, in zweiter durch das Reinigungspersonal bzw. Hauswirtschaftskräfte, dann erst kommen Ärzte und Therapeuten. Vor allem Mitarbeiter, die in Kontakt mit den Ausscheidungen kommen und von Zimmer zu Zimmer gehen, sind in der Lage, eine größer Gruppe von Bewohnern zu infizieren.
Pflegepersonal darf ungeprüft ein- und ausgehen, ohne getestet zu werden, ohne Temperaturkontrolle. Sogar die Quarantänezeit wurde für das Pflegepersonal von 2 Wochen auf 1 Woche reduziert. Aus gutem Grund. Denn würde die allgemeingültige Quarantäneregel eingehalten werden müssen, wären die Personalengpässe noch gravierender, als sie ohnehin schon sind. Reichte vor Corona das Personal schon kaum, um die elementare Grundversorgung sicher stellen zu können, wird es bei einem Ausfall mehrerer Mitarbeiter nach Kontakten mit Corona-Infizierten, richtig gefährlich für die auf Hilfe angewiesenen Menschen. Wir haben dies kürzlich in einem Heim (hier in der Nähe) in St. Augustin erlebt, nachdem dort festgestellt worden war, dass das gesamte Personal Kontakt mit den infizierten Bewohnern hatte und dem Infektionsschutzgesetz zu Folge in Quarantäne musste. Sie fühlten sich nicht krank, aber sie durften nicht arbeiten. Stattdessen setzte ein Krisenstab ungelernte Notfallhelfer ein. Also liebe, nette Menschen, ohne pflegerische Erfahrung, die weder die Räumlichkeiten kannten, noch die kranken, alten Menschen mit ihrem Hilfebedarf. Im Grunde eine für alle Pflegebedürftigen lebensgefährliche Situation. Was hier alles aus Unwissenheit hätte passieren können und womöglich auch passiert ist, will wohl niemand so genau wissen. Angehörige durften auch in dieser Situation nicht helfen. Sie mussten draußen bleiben.
Niemand interessiert sich für die Heimbewohner, die an Vernachlässigung, Verzweiflung und Vereinsamung versterben. Niemand interessiert sich für Heimbewohner die versterben, weil sie nicht genug zu trinken oder zu essen bekommen oder die falschen Medikamente. Niemand kontrolliert, was sich aktuell hinter den schönen Fassaden der Heime abspielt. Das einzige, was interessiert ist Corona. Bloß keine Corona-Infektion im Heim. Alles andere ist Nebensache. So geimpft reagieren Pflegekräfte inzwischen oft nur noch gereizt auf die wenigen Angehörigen, die in großer Sorge täglich nachfragen, wie es der Mutter oder dem Vater geht. Hat man anfangs noch versucht, Kontakte zu ermöglichen, werden jetzt immer häufiger Ausreden gefunden, warum das nicht geht. Statt menschlicher Zuwendung werden ruhigstellende Mittel verteilt, ungefragt, unerlaubt – egal. In der Corona-Krise erscheint schließlich alles erlaubt, was den Pflegenden die Arbeit erleichtert.
Mehr und mehr stellen sich die Schutzmaßnahmen als gefährlich heraus.
Gefahren für die Bewohner.
Hospitalisierung, Depression, Regression, Verstärkung der Demenz, Abbau der Beweglichkeit, Versteifung der Gelenke, Dekubitus, Schwächung des Immunsystems, Erhöhung der Infektanfälligkeit u.v.a.m. Je länger die Isolation, desto gravierender die Verschlechterung des Gesundheitszustands. Die aktuell verhängten Schutzmaßnahmen beeinträchtigen nicht nur die Freiheit aller Bewohner, sondern auch die Gesundheit.
Auch für viele Angehörige ist die Situation traumatisch. Insbesondere für diejenigen, die eine innige Beziehung zu dem Menschen im Heim haben, den sie nun nicht mehr besuchen dürfen. Ich habe selten so viele verzweifelte Menschen am Telefon erlebt, wie in den letzten Wochen. Hier ist allerdings zu differenzieren. Der wohl größte Teil der Menschen, die ihr restliches Leben in einem Pflegeheim verbringen, hat entweder keine Angehörigen mehr oder solche, die nur selten bis gar nicht vorbeischauen. Wenn „angeblich“ die meisten Angehörigen mit dem Besuchsverbot einverstanden sind, könnte das auch an einer gewissen Gleichgültigkeit liegen. Man hat sich nichts mehr zu sagen, hat sich von der dementen Mutter etc. innerlich bereits verabschiedet, zumal wenn diese befremdlich oder nicht mehr auf die Besuche reagiert.
Gefahren für das Pflegepersonal
Personalengpässe verschärfen sich. Mitarbeiter gehen über ihre Grenzen, Erschöpfung, Überforderung, die sich unweigerlich auf den Umgang mit Bewohnern auswirkt, Verstärkung der Infektanfälligkeit. Je länger der Ausnahmezustand anhält, desto schwieriger wird es, diesen zu kontrollieren. Je mehr Pflegekräfte sich krank melden oder in Quarantäne sind, desto gefährlicher wird die Situation für die Bewohner und letztlich auch für die Heimleitung. Denn wer überfordert ist, macht Fehler und die Gefahr, dass in dieser Situation die halbe Einrichtung von Corona befallen wird, ist groß.
Gefahren für die Heimleitung
Heimbetreiber und Heimleiter sind derzeit nicht zu beneiden. Was sie auch tun oder nicht tun, kann ihnen angelastet werden. An den Reaktionen lässt sich ersehen, dass die Nerven blank liegen, angesichts der Horrorvorstellung, dass der Corona-Ausbruch das eigene Haus erfasst und das Gesundheitsamt oder gar die Staatsanwaltschaft wissen will, wie das passieren konnte. Tatsächlich lassen die den Heimen von der jeweiligen Landesregierung aufdiktierten Hygienemaßnahmen wichtige Punkte außer Acht. Sie berücksichtigen z.B. nicht, dass in Heimen überwiegend Menschen leben, die den Sinn der Regeln nicht verstehen. Hinzu kommt, dass die Regeln teilweise auch unsinnig sind und dringend überdacht werden müssten. Aus eigenem Interesse müssten Heimbetreiber darauf drängen, dass die Corona-Schutzmaßnahmen in ein gesundes Verhältnis gesetzt werden zu den Gefahren.
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Verhältnismäßigkeit beachten
Das Risiko, an einer Infektion mit dem Corona-Virus (SARS-CoV-2/Covid-19) schwer zu erkranken oder daran zu versterben, muss in ein vernünftiges Verhältnis zu anderen Todesursachen und zum Sterberisiko überhaupt gesetzt werden.
Ein Hauptgrund für die extremen Maßnahmen sind die bedrohlichen Berichte aus Italien, mit massenhaft Toten und völlig überforderten Pflegekräften und Ärzten in den Kliniken. In Italien sollen mehr als 60 Pflegekräfte und Ärzte „an Corona“ gestorben sein. So etwas hat man tatsächlich vorher bei keiner SARS oder Influenza Epidemie gehört, zumal keine Tests gemacht und veröffentlicht wurden. Die Dramatik der täglichen Berichterstattung entsprach der Warnung vor einem Tsunami ungeheuerlichen Ausmaßes. Hinzu kam, dass einzelne Regionen unvorhersehbar stark betroffen waren, so dass täglich neue Meldungen von massenhaft infizierten und Corona-Toten um die Welt gingen. Seit Anfang Februar wird über kaum etwas anderes berichtet und dies in einer hysterischen Weise, die Berichtigungen durch andere Sachverständige nicht zugelassen hat. Die Angst vor der tödlichen Gefahr, die von diesem Virus ausgeht, hält bis heute weite Teile der Bevölkerung gefangen.
Inzwischen wissen wir mehr über das Virus, das Ansteckungsrisiko, die Verbreitung. Und wir wissen, dass die Sterberate in Deutschland unter 1 Prozent liegt. An Influenza sind im Zeitraum Februar bis Mai 2018 – 25.000 Menschen in Deutschland gestorben, an Covid-19 2020 im gleichen Zeitraum rund 6.000. Inzwischen wissen wir auch, dass die Infektion in den allerwenigsten Fällen die Todesursache war. Bei 133 rechtsmedizinisch untersuchten „Corona-Toten“ (Prof. Püschel – UKE-Hamburg) wurde festgestellt, dass in jedem der Fälle andere Todesursachen vorlagen. Auch das RKI und die WHO bestätigen, dass bei den Toten bisher nur geschaut wird, ob diese positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, und nicht woran sie tatsächlich gestorben sind.
Die Wahrscheinlichkeit, an einer Infektion mit dem Virus zu erkranken oder gar zu versterben, ist sehr gering. 80 Prozent der positiv getesteten waren symptomfrei. 10 Prozent zeigten leichte Grippesymptome, die ambulant behandelt werden konnten. Bei nur rund 3 Prozent der Fälle kam es zu einem schweren Krankheitsverlauf mit ausgeprägter Lungenentzündung und starker Atembeeinträchtigung. Die Art mancher schweren Verläufe, die immer wieder gerade von Intensivmedizinen hervorgehoben werden, kann man sich noch nicht erklären. Bei einigen dieser Verstorbenen hat man außerdem Gewebeveränderungen nicht nur an Lunge festgestellt, sondern auch an den Gefäßwänden und in anderen Organen. Möglicherweise handelt es sich hierbei um Mischinfektionen verschiedener Viren oder auch multiresistenter Erreger, wie sie auch in deutschen Krankenhäusern und auf Intensivstationen erworben werden können. Weil alle auf Covid-19 fokussiert sind, unterbleiben gerade bei den sog. Corona-Patienten weitere Untersuchungen. Auch in dieser Hinsicht besteht Klärungsbedarf.
Unklar ist außerdem, wie viele Menschen eine stumme Infektion mit SARS-CoV-2/Covid-19 hatten und jetzt immun sind. Eine breite Antikörpertestung wäre für Pflegeeinrichtungen eher ratsam, als der PCR-Nachweis des Virusgenoms, zumal es bei diesem sog. Corona-Test oft auch zu falsch positiven oder falsch negativen Ergebnissen kommt.
Setzt man die tatsächlichen Zahlen ins Verhältnis zu den Maßnahmen, die in Pflegeheimen zur Vermeidung von Infektionen mit SARS-CoV-2/Covid-19 getroffen werden, müsste eigentlich jeder erkennen, dass die Maßnahmen viel lebensgefährlicher sind als das Virus.
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Grundrechte müssen auch in Notlagen gewahrt werden
Menschen, die statistisch zu einer Risikogruppe gehören, dürfen nicht pauschal ihrer Grundrechte beraubt werden.
Die Corona-Verordnungen haben ein bisher in Deutschland geltendes Rechtsprinzip umgedreht. Aus Freiheit vor Schutz wurde Schutz vor Freiheit.
Mehr noch, aus dem Recht auf Schutz (Patientenschutz) wurde eine Pflicht sich zu schützen, beziehungsweise eine Verpflichtung für Heimbetreiber und Personal die Schutzmaßnahmen umzusetzen, auch gegen den Willen der Betroffenen. Menschen, die in Einrichtungen leben, wurden als „Risikogruppe“ alle in einen Topf geworfen und gegen ihren Willen, ohne gerichtlich angehört zu werden, auf unbestimmte Zeit in der jeweiligen Einrichtung eingesperrt, oft sogar im Zimmer. Wer raus will, wird eingeschlossen. Wer aufbegehrt, ruhiggestellt.
Das war vorher zwar auch schon oft der Fall. Aber jetzt wurde eine Situation geschaffen in der es unauffälliger stattfinden kann. Richter, Betreuer, Bevollmächtigte, Verfahrenspfleger – alle sind gehalten draußen zu bleiben oder müssen begründen, warum ein Besuch zwingend ist.
Zur Veranschaulichung hier ein Vergleich mit dem Sturzrisiko: Alte Menschen stürzen sehr viel häufiger als jüngere. Stürze sind ein Hauptgrund für Krankenhauseinweisungen aus Heimen, sie verursachen neben schmerzhaften Prellungen oft auch Frakturen. Nicht wenige sterben an den Folgen eines Sturzes.
Statistisch lassen sich Heimbewohner also auch hier einer „Risikogruppe“ zuordnen. Allerdings werden sie nicht, wie in der Corona-Krise, staatlich angeordneten Schutzpflichten ausgesetzt. Gegen den eigenen Willen dürfen Bettgitter, Fixierungen und andere freiheitsentziehenden Maßnahmen (FeM) nur nach Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Gerichtsbeschluss durchgeführt werden. So hat das AG Frankfurt in seinem Urteil vom 29.11.2012 (Az.: 49 XVII 3023/11) klar hervorgehoben, dass rein präventive Maßnahmen, ohne Vorliegen einer konkreten Gefahr, einen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht in keinem Fall rechtfertigen können.
Betrachtet man die durchschnittliche Lebenserwartung von 82 Jahren bei Frauen und 78 Jahren bei Männern, liegen die meisten Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen bereits darüber. Heime sind Endstationen des Lebens. Wer im Heim seine letzte Lebenszeit verbringen muss – die wenigsten sind aus eigenem Entschluss dort – dem bleiben im Schnitt noch 2 bis 3 Jahre. Die meisten sterben bereits im ersten Jahr. Rund 800 alte, pflegebedürftige Menschen sterben jeden Tag in deutschen Pflegeheimen. Das hängt u.a. damit zusammen, dass es in Deutschland sehr viele Heime gibt, viel mehr als in anderen europäischen Ländern. Deutschland ist ein wahres El Dorado für Investoren in Heimimmobilien und für Heimbetreiber. Individuelle Pflege, die sich an den Bedürfnissen der Bewohner orientiert, steht meist nur auf dem Papier. Einrichtungen, die so geführt und personell bestückt sind, dass man seinen eigenen Angehörigen guten Gewissens dort hingeben würde, werden oft vergeblich gesucht.
Menschen dürfen nicht auf Grund ihres Alters- und ihres Gesundheitszustands sämtlicher Bürgerrechte beraubt werden, wie wir das gegenwärtig erleben. Die Wahrung der in unserer Verfassung für alle Bürger geltenden Rechte muss bei der Abwägung von Schutzmaßnahmen Priorität haben. Selbst dann, wenn die Gefahr besteht, dass zahlreiche Menschen durch eine Infektion sterben könnten, die vielleicht noch etwas länger hätten leben können, wenn sie in Isolierzellen verbracht worden wären. Vor allem sollten die Menschen gefragt werden. Sie sollten mitentscheiden können. Wer das (relativ geringe) Risiko nicht eingehen möchte, von einem Angehörigen angesteckt zu werden, kann das für sich so bestimmen. Wer jedoch zu erkennen gibt, dass ihm regelmäßige Besuche von bestimmten Angehörigen wichtig sind, dem muss dazu Möglichkeit eingeräumt werden. Insbesondere gilt das für Menschen mit Demenz, die rund 60 Prozent der Bewohner von Pflegeeinrichtungen ausmachen. Allenfalls 20 Prozent der Heimbewohner sind in der Lage, zu telefonieren, zu skypen, Briefe zu lesen oder zu schreiben. Eine von diesen hatte ihrer Tochter am Freitag in sehr krakeliger Schrift geschrieben: „Liebe ……, mir geht es nicht gut. Ich habe Angst dass wir uns nicht wiedersehen. Ich wünsche dir alles Gute. Deine – dich liebende Mama.“ Am nächsten Morgen rief mich die Tochter an, nachdem sie die halbe Nacht geweint habe und im Internet meine Beiträge gelesen hatte. Sie würde ihre 93 jährige Mutter am liebsten aus dem Heim zu sich holen, wohnt jedoch im 4. Stock, ohne Aufzug. Aus finanziellen Gründen kann sie sich keine andere Wohnung leisten.
Wären die massiven Einschränkungen auf 14 Tage oder allerhöchstens 4 Wochen begrenzt worden, wäre hier ein Trost möglich. So aber werden Bewohner und Angehörige auf unbestimmte Zeit hingehalten – etwa bis der Impfstoff da ist. Das kann und darf nicht akzeptiert werden. Die Besuchsverbote müssen sofort aufgehoben werden. Sie sind unmenschlich und unnötig!
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Heilen oder wenigstens nicht schaden
Die zur Eindämmung der Corona-Infektion auf Bundes- und Länderebene verhängten massiven Schutzbestimmungen beruhen nicht auf gesicherten Erkenntnissen ihrer Wirksamkeit. Mildere Maßnahmen wurden bisher nicht einmal in Erwägung gezogen.
An dieser Stelle sollten wir uns zurück erinnern an den Grundsatz hippokratischer Heilkunst: „Primum nihil nocere – Zuerst nicht schaden“ Mit anderen Worten: Solange der Arzt nicht weiß wie er einen Kranken heilen kann, sollte er Maßnahmen wählen, von denen er weiß, dass sie ihm nicht schaden. Hippokrates wurde nicht zuletzt durch seine ungewöhnlichen Erfolge in der Seuchenbekämpfung bekannt. Und diese beruhten vor allem auf seiner Beobachtung der Lebensumstände und Hygieneverhältnisse in den betroffenen Regionen.
Betrachtet man die Maßnahmen, die weltweit zur Bekämpfung der Corona-Pandemie getroffen werden, dürfte inzwischen jeder ahnen, dass der durch die Maßnahmen verursachte volksgesundheitliche Schaden alles bisher Erlebte übertreffen wird. Ohne Rücksicht auf Verluste, wurde/ wird hier mit Kanonen auf Viren geschossen, von denen man nicht einmal weiß, wo sie sich gerade aufhalten. Jeder Mensch wird aufgefordert, sich so zu verhalten, als trage er oder sein Gegenüber ein Killervirus namens Covid-19 mit sich herum. Hier hat Politik eben nicht auf erfahrene und besonnene Ärzte gehört.
Um bei unserem Thema des Schutzes der Risikogruppe Heimbewohner zu bleiben, wurde ebenfalls ohne Rücksicht auf Verluste nur das eine Ziel verfolgt, das Virus aus den Heimen fern zu halten.
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Risikominimierung mit Augenmaß
Der Schutz von in Einrichtungen lebenden Menschen vor Infektionen ist durch mildere Maßnahmen sicher zu stellen.
Was in den Jahren zuvor, als sich noch keine Kameras für die zahlreichen Influenza- und SARS-Toten in den Heimen interessierte, zu nachlässig gehandhabt wurde, wird seit „Corona“ in einer Weise übertrieben, bei der sich erfahrene Pflegefachkräfte und auch Ärzte nur an den Kopf fassen können.
Angefangen mit der Quarantäneregelung, die in Pflegeeinrichtungen nicht haltbar ist. Die angeordnete, vorsorgliche 14 tägige Quarantäne aller Personen, die Kontakt mit positiv getesteten hatten, ist im Pflegebereich weder realisierbar noch verantwortbar. Darum wurde diese auch bereits auf 7 Tage reduziert. Der Aberwitz dieser Regelung wird deutlich wenn man den Wortlaut der Quarantänevorschrift kennt, den eine Altenpflegerin auf Facebook gestellt hat (s. Anlage). Daraus geht hervor, dass diese als Kontaktperson während der 14 tägigen Quarantänezeit die eigene Wohnung nur verlassen darf, um auf geradem Weg zum Arbeitsplatz „Pflegeheim“ zu gelangen. Aber selbst diese willkürliche Ausnahmeregelung, lässt sich nur bei Akzeptanz gefährlicher Unterbesetzung durchhalten. Zumal in einer Zeit, in der in Pflegeheimen jede Hand nötiger denn je gebraucht wird.
Zur Erinnerung: Nach jüngsten Berechnungen fehlen in der Pflege rund 100.000 Fachkräfte. Wenn von den ohnehin viel zu wenigen Pflegekräften in den Heimen plötzlich 10 und mehr zu Hause bleiben müssen, weil sie Kontakt mit einem Corona-Positiven hatten, dann müssen die verbleibenden Doppel-Schichten abdecken, wodurch es zu weiteren Krankheitsausfällen kommt. Diese Situation ist nicht nur für die Bewohner lebensgefährlich, sondern auch für das Personal. Denn eine derartige Überlastung schwächt natürlich auch das Immunsystem. Elementare Hygienemaßnahmen werden vernachlässigt, weil schlicht keine Zeit da ist, sich ständig die Hände zu waschen oder zu desinfizieren, geschweige denn vorschriftsmäßig mit der Schutzkleidung umzugehen. Angeblich sind auch bereits in Deutschland Pflegekräfte an (?) Corona gestorben. Die tatsächliche Todesursache wurde auch bei diesen nicht untersucht oder nicht bekanntgegeben. Hier sollte man einmal nachfragen, inwieweit extremer Stress durch die Arbeitssituation vorgelegen hat. Unter diesen Bedingungen haben Pflegekräfte zu Recht Angst um ihre eigene Gesundheit und ihr Leben. Denn in der Pflege kann man eben nicht, wie in einem Restaurant oder in Läden, Abstand zu anderen halten.
Wenn nicht umgehend eine andere Politik greift, werden wir in der Altenpflege einen Supergau erleben. Sowohl was die Verwahrlosung und Sterberate der Bewohner betrifft, als auch den Verschleiß an Pflegekräften. Unter den erschwerten Bedingungen, die durch die Corona-Schutzmaßnahmen speziell in der Altenpflege herrschen, sollte außerdem eine Gefahrenzulage gefordert werden.
Geht man davon aus, dass es beim besten Willen nicht gelingen kann, auf Dauer zu verhindern, dass Mitarbeiter unbemerkt in ihrem privaten Umfeld mit Covid-19 infiziert werden und Bewohner (durch die Nähe) anstecken, sollte bereits das Ziel geändert werden. Ziel der Schutzmaßnahmen sollte Verminderung und nicht Verhinderung sein.
Leitziel der Schutzmaßnahmen vor Corona:
Verminderung des Infektionsrisikos in einer Weise, die die Lebensqualität der Bewohner möglichst nicht beeinträchtigt. Die kurze Zeit, die alte und pflegebedürftige Menschen noch zu leben haben, sollte ihnen so angenehm wie möglich gemacht werden.
Diese Unterscheidung ist auch deshalb wichtig, damit sich Heimleitungen nicht sofort an den Pranger gestellt sehen müssen, wenn Covid-Fälle registriert werden. Bei der aktuell vorliegenden, einseitigen Sicht auf Covid-Vermeidung werden alle anderen Risiken und Gefahren ausgeblendet.
Die Quarantäneregelung des RKI sollte nur für nachweislich infizierte Personen gelten, wie das vor Corona bei Infektionskrankheiten (SARS, Influenza, Noro-Virus) auch üblich war. Kontaktpersonen, die keine Symptome haben, sollten lediglich darauf hingewiesen werden, dass sie sich in den nächsten Tagen so verhalten, als könne von ihnen eine Infektionsgefahr für andere ausgehen. (Mundschutz bei körpernaher Pflege tragen, nicht in Gegenwart anderer Husten oder Niesen, beim Sprechen Abstand halten, Händewaschen etc. )
Wichtigste Schutzmaßnahme!
Bewohner die Symptome zeigen, die auf einen möglichen Infekt mit einem Corona-Virus oder einem anderen Erreger hinweisen, sollten solange in ihrem Zimmer bleiben und nicht an Gemeinschaftsaktivitäten teilnehmen, bis sie symptomfrei sind.
Sofern eine Testung vorgenommen wird, sollte diese nicht alleine auf SARS-CoV-2 ausgelegt sein, sondern auch andere bekannte Grippe-Viren erfassen. Denn wie man inzwischen weiß, fallen rund 70 Prozent der Corona-Tests negativ aus, obwohl Grippe-Symptome vorgelegen haben. Grundsätzlich sollte während jeder Grippe-Saison, jeder Bewohner daraufhin beobachtet werden, so dass bei ersten Anzeichen präventiv gehandelt werden kann. Mehr kann man nicht tun, als dafür zu sorgen, dass diejenigen, die Krankheitszeichen zeigen, möglichst niemanden anstecken können. Wartet man hingegen mit den Schutzmaßnahmen (Isolation) darauf, bis ein Testergebnis vorliegt kann der Betreffende schon viele angesteckt haben.
Maßnahmen konkret:
Um das Risiko einer Ansteckung und Verbreitung zu minimieren, sollten sich Pflegeeinrichtungen auf bewährte Konzepte und die konsequente Einhaltung allgemeingültiger Hygienregeln besinnen. Das Rad muss nicht neu erfunden werden.
Organisation nach dem Bezugspflegeprinzip
Falls nicht bereits vorgegeben, sollten die Wohnbereiche organisatorisch in kleine Einheiten (Gruppen) von maximal 15 Bewohnern aufgeteilt werden. Jede Gruppe wird personell so ausgestattet, dass in jedem Dienst wenigstens eine Pflegefachkraft und eine Pflegehilfskraft fest eingeplant sind. Zum Team der Gruppe sollten ferner Auszubildende und Demenzbetreuerinnen sowie Hauswirtschafts-/Reinigungskräfte gehören. Das Personal bleibt in dieser Gruppe und ist nur für die Bewohner dieser Gruppe zuständig, auch im Nachtdienst.
Vorteile: Sollte eine Infektion auftreten, kann diese erstens frühzeitig erkannt und zweitens eingegrenzt werden. Denn je weniger Bewohner eine Pflegekraft im Blick haben muss, desto eher stellt sie Zustandsveränderungen bei Bewohnern fest, die auf eine mögliche Infektion hindeuten. Sollte ein Mitarbeiter in seinem privaten Umfeld infiziert worden sein, kann er nur eine begrenzte Zahl anstecken und nicht sogleich die halbe Einrichtung. Aktuell ist es üblich, dass Pflegekräfte 20 oder gar 30 Bewohner – je nach Größe der Wohnbereiche oder nachts sogar 50 und mehr Bewohner betreuen. Außerdem wird Personal flexibel im ganzen Haus eingesetzt, je nachdem wo jemand fehlt.
Angehörige und Ehrenamtliche gezielt einbeziehen
Angehörige, die vorher schon regelmäßig ins Haus kamen und sich um ihr pflegebedürftiges Familienmitglied gekümmert haben, sollten als Ressource gesehen und einbezogen werden. Ansonsten könnten Angehörige gefragt werden, inwieweit sie bereit oder in der Lage sind, sich zeitlich einzubringen. Gleiches gilt für alle Personen, ehemalige Angehörige, die einen guten Bezug zur Einrichtung haben und bereit wären, zu bestimmten Zeiten auszuhelfen und sich um 1-2 weitere Bewohner zu kümmern, die keinen Besuch bekommen. Auch diese sollten einer Gruppe oder bestimmten Bewohnern zugeteilt und nicht lückenfüllend mal hier mal da eingeplant werden. Angehörige und Ehrenamtliche sollten möglichst zu den Essenszeiten kommen, denn dadurch könnte gewährleistet werden, dass kein Bewohner im Eiltempo „abgefüttert“ wird oder eben zu wenig zu essen und zu trinken bekommt.
Wichtig ist hier natürlich die Bereitwilligkeit und dass die Angehörigen bzw. ehrenamtlichen Helfer, die Hygieneregeln kennen und wissen, worauf sie im Umgang mit dem jeweiligen Bewohner achten müssen. Sinnvoll wären hier Wochenpläne: Wer kommt wann zu wem?
Kranke Mitarbeiter und Besucher bleiben zu Hause
Mitarbeiter mit Krankheitszeichen wie: Halsschmerzen, Husten, Schnupfen, Kopfschmerzen, erhöhter Temperatur etc. sind verpflichtet, dieses der Pflegedienstleitung oder Heimleitung frühzeitig mitzuteilen. Auch wenn es schwer fällt, auf die betreffende Person im Dienst zu verzichten, können die Folgen – wenn es deshalb zu einer Infektion im gesamten Team und bei den Bewohner der Gruppe kommt – sehr viel schwerer wiegen. Damit das funktionieren kann, müsste jede Einrichtung dafür Sorge tragen, dass Ersatzkräfte zur Verfügung stehen. Notfallsituationen entstehen vor allem dann, wenn gleichzeitig mehrere Mitarbeiter erkranken und ausfallen. Damit müssen Einrichtungen immer einmal wieder rechnen, nicht nur während Grippezeiten. Häufig werden als erstes die Teilzeitkräfte gebeten, Vollzeit zu arbeiten. Gut wäre es, wenn ein Bereitschaftsdienst organisatorisch eingeplant würde. Ansonsten bleiben dann oft nur Zeitarbeitskräfte. Die Gefahr, dass auf einen Schlag viele Pflegekräfte infiziert werden, ist bei Einhaltung der o.g. Gruppenregelung deutlich geringer, als bei der zumeist üblichen Form. Wenn möglich, sollte ein Wohnbereich während der Krisenzeit nicht belegt sein. Das Personal dieses Bereichs kann als Ersatz-Team, eingeplant werden.
Bewohner mit Verdacht auf eine Virus-Infektion bleiben in ihren Zimmern
Grundsätzlich sollte kein Bewohner wie ein Infizierter behandelt werden. Es bringt auch nichts, den Bewohnern Mundschutz anzulegen oder gar Handschuhe anzuziehen. Auch Mitarbeiter und Besucher müssen nicht mit Mundschutz herumlaufen. Denn wer erkältet ist, sollte ganz fern bleiben!!! Ein direkter Körperkontakt sollte auf das pflegerisch notwenige begrenzt werden. Man kann ja niemandem das Essen aus einer Entfernung von 1,5 Metern eingeben. Der Umgang und die Aktivitäten mit den Bewohnern sollten zwanglos und so normal wie möglich sein.
Jedoch sollten Pflegekräfte und Angehörige verstärkt auf Anzeichen einer Infektion achten. Hier könnte regelmäßiges Temperaturmessen, morgens und abends, sinnvoll sein. Denn jede Infektion zeigt sich über die Temperatur an. Auch bei einer plötzlichen Zustandsverschlechterung, die mit Temperaturanstieg einhergeht, sollte an eine Infektion gedacht werden. Bewohner mit erhöhter Temperatur sollten im Zimmer gepflegt werden. Lebt der Bewohner in einem Zweibettzimmer, wäre zu prüfen, wer von beiden in ein Einzelzimmer verlegt wird. Sollten beide erhöhte Temperatur oder andere Symptome zeigen, könnten jedoch beide im Zimmer bleiben und dort versorgt werden.
Aktuelle Schutzverordnungen sehen vor, dass Heime Zimmer bzw. Wohnbereiche für die Pflege von Coronabetroffenen freihalten müssen. Darauf könnte jedoch bei der o.g. Organisationform verzichtet werden. Denn sollte es in einer Wohngruppe mit höchstens 15 Bewohnern zu einer Häufung von Infektionsfällen kommen, wäre es besser, diese in der Gruppe abzuschirmen, als die erkrankten Bewohner aus ihrer Umgebung zu reißen und von ihnen fremdem Personal betreuen zu lassen. Hätte jeder Bewohner sein eigenes Zimmer, könnte man sich den Verlegungsstress komplett sparen.
Vereinbarung mit den behandelnden Ärzten
Da die Bewohner unterschiedliche Ärzte habe und jeder Arzt andere Vorstellungen bezüglich Diagnostik und Behandlung hat, sind gemeinsame Überlegungen und Vereinbarungen ratsam. Dabei gilt es vor allem zu klären: Wann, welche Tests gemacht werden? Wer dies veranlasst? Wer das Gesundheitsamt bei einem postiven Ergebnis benachrichtigt, etc. Wenn die Einrichtung sicher stellen kann, dass bereits bei den geringsten Anzeichen einer möglichen Infektion, Bewohner in ihren Zimmern betreut und wichtige Schutzvorschriften erfüllt werden, wäre es von Vorteil, gar keinen Test zu machen. Denn mit wie ohne Testergebnis sollten die beschriebenen Maßnahmen beachtet werden, bis zur vollständigen Symptomfreiheit. Wenn Testung, dann sollte nicht allein SARS-CoV-2 in den Blick genommen werden. Frühere SARS-Viren und Influenza-Viren könnten die Symptome ebensogut ausgelöst haben. Diese sind ja auch noch nicht aus der Welt und könnten immer mal wieder irgendwo aufflammen. Sollte ein Bewohner/Mitarbeiter oder Angehöriger einen negativen Corona-Befund haben und sich deshalb in Sicherheit wiegen, könnte er womöglich andere mit Influenza anstecken und Todesfälle verursachen. Wären die wichtigsten Regeln in den vergangenen Jahren beachtet worden, hätte es vermutlich nicht so viele Influenza-Tote (25.000 im Frühjahr 2018) gegeben.
Einsatz von Schutzkleidung:
So wenig wie möglich – So viel wie nötig
Auch hier kann von Fall zu Fall geschaut werden. Die Wahl der Schutzkleidung sollte davon abhängig gemacht werden, ob der Betroffene (möglicherweise oder tatsächlich Infizierte) still daliegt, ob er spricht oder schweigt, hustet oder schnieft etc. Gerade bei sehr alten Menschen, die schon lange nicht mehr kommunizieren und ruhig daliegen, verlaufen Infektionen meist ohne nenneswerte Änderungen. Man merkt diese vor allem an der erhöhten Temperatur. Liegt der fiebernde Bewohner ruhig da, besteht höchstens bei der Mundpflege oder beim Anreichen von Nahrung und Getränken das Risiko, in Kontakt mit Speichel zu kommen. Bei der Nahrungsanreichung muss damit gerechnet werden, dass der Kranke sich verschluckt und dann plötzlich stark hustet. Um zu verhindern, dabei Speichel und anderes ins Gesicht zu bekommen, sollte ein Mundschutz und evtl. Schutzbrille getragen werden.
Bewährt hat sich außerdem, wenn vor dem Zimmer des Bewohners mit Symptomen ein Hygienewagen steht, mit Desinfektionsspender, Mund-Nasenschutz-Masken, Handschuhen (Einmalmaterial) sowie Schutzkittel (fürs Pflegepersonal). Angehörige, die keine Pflegearbeit übernehmen und den Abstand halten können, benötigen während des Besuchs weder Kittel noch Mundschutz. Wichtig ist, dass Angehörige wissen, worauf zu achten ist. Solange der Angehörige sich nur im Zimmer des Bewohners aufhält und anschließend das Heim auf direktem Weg verlässt, ohne anderen Bewohnern oder Mitarbeitern zu Nahe zu kommen, geht von diesem keine Gefahr für die Einrichtung aus, selbst wenn er (ohne es zu wissen und zu merken) infiziert wäre. Natürlich sollte auch der Angehörige eines möglicherweise infizierten Bewohners außerhalb des Heimes Abstandsregeln und andere Regeln einhalten und Kontakte auf das Nötigste reduzieren.
Der normale Mund-Nasen-Schutz dient im Wesentlichen dem Schutz anderer (Fremdschutz). Dieser macht nur Sinn, wenn man den Abstand von wenigstes einem Meter nicht einhalten kann und wenn die Person zu einer „feuchten Aussprache“ neigt. Wer ruhig neben dem erkrankten Bewohner sitzt, etwas vorliest oder sich normal unterhält, muss keinen Mundschutz tragen. Auch der Kranke sollte keinen Mundschutz tragen, weil dies seine Atmung zusätzlich erschwert.
Wichtig ist, dass Angehörige und Mitarbeiter, sowie nach Möglichkeit auch der Bewohner, versteht, worauf es ankommt. Covid-19, wie alle anderen Grippe-Erreger auch, werden per Tröpfchen aus dem Mund-Nasen-Rachenraum übertragen. Wer nur daliegt und atmet, versprüht keine Tröpfchen. Wer ruhig spricht, versprüht nur wenige Tröpfchen, die selten weiter als einen Meter fliegen. Wer jedoch aufgeregt ist und laut spricht, dessen Speichel kann durchaus auch weiter umherfliegen. Gerade bei Demenzbetroffenen, die den Sinn der Maßnahme nicht verstehen, müssen Personal oder Angehörige besondere Vorsicht walten lassen. Aber auch hier gilt: Je besser ich den Betroffenen und dessen Reaktionsweise kenne, desto einfacher ist es, eine individuell passende Lösung zu finden. Medikamentöse Ruhigstellung darf jedenfalls keine Lösung sein und Fixierung auch nicht.
Atemschutz-Masken die dem Eigenschutz dienen, sollten in Pflegeheimen hauptsächlich während des Absaugens von Sekret aus den oberen Luftwegen getragen werden. Denn bei diesem Vorgang kann viel Schleim herausgehustet werden oder Aerosole entstehen. Hier sollte die Pflegekraft sowohl eine Atemschutz-Maske und Brille/Visier als auch Schutzkittel und Handschuhe tragen. Sofern die Pflegekraft nicht mehrere Schwerkranke in einem Isolierbereich zu betreuen hat, die auch regelmäßig abgesaugt werden müssen, erscheint eine Ganzkörperschutzbekleidung eher hinderlich. Alleine für das An- und Ausziehen der üblicherweise nur auf Intensivstationen getragenen Ausrüstung werden 30 Minuten benötigt. Wer etwas falsch macht, gefährdet sich eher, als dass er sich schützt. Außerdem ist das Arbeiten in dieser Schutzbekleidung extrem anstrengend und körperlich belastend. Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, bis hin zum Kollaps, werden hier von Kollegen berichtet. Spätestens nach 30 Minuten unter der Atemmaske sollte der Mitarbeiter an ein offenes Fenster gehen, die Maske ablegen und tief durchatmen. Die angeblich überall fehlende Schutzkleidung, sollte tatsächlich nur dann eingesetzt werden, wenn eine besondere Gefahrensituation vorliegt. Im Altenpflegebereich müsste m.E. niemand fortwährend mit Ganzkörperschutz herumlaufen. Dies Vorstellung erscheint auch eher der ersten Hysterie geschuldet, als einer sachdienlichen Nutzenerwägung.
Organisiert vorgehen Um die Kontakte und auch den Materialverbrauch auf ein Minimum reduzieren zu können, sollte möglichst nur eine Pflegekraft/Mitarbeiter (Bezugsperson) während jeder Dienstzeit den Bewohner in seinem Zimmer versorgen und dies möglichst in Ruhe und ungestört. Auch sollte sich die Pflegekraft vorher alles Notwendige zurechtlegen, damit sie nicht ständig das Zimmer wieder verlassen muss, weil sie etwas vergessen hat. Je weniger Mitarbeiter in Kontakt treten, desto weniger können infiziert werden. Damit der Bewohner nicht so lange alleine gelassen wird, sollten ggf. Angehörige gebeten werden, sich in dieser Zeit besonders mit einzubringen. Hat der Bewohner keinen Angehörigen, sollte eine stundenweise Begleitung durch eine andere Person (Ehrenamtlich, Praktikant etc.) organisiert werden.
Wer weiß worauf zu achtet ist, muss keine Angst haben.
Wie seit der Heinsbergstudie bekannt ist, geht von den auf Gegenständen und Kleidung angetrockneten „Tröpfchen“ keine Infektionsgefahr aus. Es ist auch kein Problem, den Kranken zu berühren, ohne Handschuhe zu tragen. Händewaschen nach dem Kontakt jedoch nicht vergessen! Nur in Situationen in denen Gefahr besteht, mit Sekret aus dem Mund-Nasen-Rachenraum in Berührung zu kommen, sollten entsprechend Vorkehrungen getroffen werden.
In jeder Wohngruppe, sowie an Zimmertüren von Bewohnern mit Symptomen, sollten genaue Hygieneanweisungen angebracht sein. Zudem sollten die zu beachtenden Hygieneregeln in einer Anweisung schriftlich jedem Mitarbeiter und jedem, der die Einrichtung betritt, ausgehändigt werden. Die Hygieneanweisungen sind so zu illustrieren oder mehrsprachig auszuführen, dass sie auch von Mitarbeitern/Besuchern mit geringen Deutschkenntnissen verstanden werden.
Hygienestandards sollten durchdacht sein und fachlich begründet werden können. Bestimmungen, die nicht plausibel erscheinen, die als unsinnig und nur lästig empfunden werden, sorgen für Verdruss und führen irgendwann dazu, dass auch notwendige Maßnahmen nicht mehr ernst genommen werden.
Wenn die Corona-Krise in Pflegeeinrichtungen etwas Postives hervorgebracht hat, so eine Verstärkung des Bewusstseins für Hygiene. Ganzheitlich betrachtet bedeutet Hygiene (griechisch Hygieia = Gesundheit) „der Gesundheit dienend“. Als Lehrerin für Pflegeberufe hat die Autorin, Adelheid von Stösser, u.a. die Fächer „Hygiene“ und „Geschichte der Medizin und Pflege“ unterrichtet. Später hat sie u.a. Projekte zur Entwicklung und Implementierung von Hygienstandards an Kliniken geleitet. Auch dabei ging es immer wieder um Fragen der Verhältnismäßigkeit und Sinnhaftigkeit. Schutzkleidung zum Einmalgebrauch, Handschuhe, Verpackungen von sterilen Materialien etc. die nicht sinnvoll eingesetzt werden, produzieren nur Kosten und unötig Müll. Die Umweltbelastung durch Hygieneartikel sollte nicht außer Acht gelassen werden.
Die in diesem Schreiben angeführten Hygienemaßnahmen erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sollen diese dazu beitragen, sich auf das Wesentlichen zu konzentrieren. Den Blick für das was Sinn macht zu schärfen und weg zu kommen vom Aktionismus, der sich seit „Corona“ überall verbreitet hat.
Zentrale Präventionspunkte:
- Kleine Wohngruppen – feste Teams (Bezugspflegesystem)
- Bewohner mit Symptomen bleiben im Zimmer
- Mitarbeiter und Besucher mit Symptomen bleiben zu Hause
- Hygienestandards sind durchdacht und verständlich
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Abschiednehmen und in Frieden Sterben dürfen
Menschen, die von Vorerkrankungen geschwächt am Ende ihrer Lebenslaufbahn angekommen sind, benötigen vor allem menschliche Zuwendung und ggf. Leidenslinderung. Bei diesen ist eher Palliativpflege angezeigt und eben gerade keine leidensverlängernde „Lebensrettung“ auf Intensivstationen oder an Beatmungsgeräten.
Die Corona-Krise konfroniert vor allem mit der Notwendigkeit, dem Sterben einen Platz im Leben einzuräumen. Das Sterben wurde mehr und mehr ausgelagert in die Heime und Krankenhäuser. Nur noch 20 Prozent der Deutschen sterben zu Hause. In Krankenhäuser begeben sich Menschen in der Hoffnung auf Heilung und Linderung ihres Leidens. Hier ist Lebensrettung das Ziel. Vor allem auf den Intensivstationen kämpfen Ärzte und Pflegekräfte darum, den Kranken mit allem was die Medizin hergibt, so lange als möglich am Leben zu halten. Wenn ein Patient – um den alle intensiv gekämpft haben – dann doch stirbt, wird das als Niederlage empfunden. Für Sterbebegleitung und Abschiednehmen von Angehörigen sind Intensivstationen die am schlechtesten geeignete Plätze. Vor allem jetzt, da ein allgemeines Besuchsverbot herrscht. Als junge Krankenschwester konnte ich noch erleben, dass Patienten deren Leben die Ärzte nicht mehr retten konnten, im Krankenhaus bleiben durfen, bis sie gestorben sind. Sogar über Monate, wenn die notwendige palliative Behandlung und Pflege zu Hause oder einem Heim nicht sichergestellt werden konnte. Hospize waren jüngeren Menschen im Endstadium einer Krebserkrankung vorbehalten. Heute werden unheilbar kranke Patienten, die man früher hätte sterben lassen, oft jahrelang künstlich am Leben erhalten, weil der Lebensschutz über allem steht. Lebenserhaltung um jeden Preis. Alles was die Medizin hergibt, sollte sie geben, um zu verhindern, das ein Mensch stirbt. Ungeachtet von Alter und Prognose. Heute werden selbst über 90-jährige noch an die Dialyse gehängt oder an Beatmungsschläuche. Sterben ist nicht erlaubt. Das muss in jeden Falle verhindert werden, so die Parole hinter den Corona-Maßnahmen. Es gehe darum „Leben zu retten.“ Vor allem das Leben von Menschen die postiv auf Corona getestet sind.
Heute werden sterbenskranke, alte Menschen, die zu Hause nicht versorgt werden können, in Pflegeheime verbracht. Dort treffen sie auf zahlreiche andere Altersgenossen, die ebenfalls körperlich und/oder geistig so stark abgebaut haben, dass sie bei allen Verrichtungen auf Hilfe angewiesen sind. Große Heime kümmern sich um über 100 Menschen, von denen sich jeder in einer lebensbedrohlichen Lage befindet. Eine Lage, die gekennzeichnet ist von Ängsten und Fragen und dem Bedürfnis, mit jemandem über das Erlebte sprechen zu können. Wohl dem, der regelmäßig Besuch von Angehörigen hat oder das Glück, eine ehrenamtliche Helferin zur Seite gestellt zu bekommen, die diese wichtige Hilfe bietet. Die Personalausstattung in den Heimen orientiert sich nämlich nicht an den Bedürfnissen der Bewohner, sondern an dem, was ein Heimplatz kosten darf. Eine Nachtwache für 50 notleidende, schwerkranke Heimbewohner, das ist nach wie vor die Standardbesetzung in deutschen Pflegeheimen. Eine Pflegekraft hat während ihrer Dienstzeit im Schnitt 12 Heimbewohner zu versorgen: Waschen, anziehen, Toilettengänge, Hilfe bei Essen etc. Pflege im Vorbeilaufen. Wer das Pensum nicht schafft, wer seine Zeit mit Gesprächen vertrödelt und einzelne Bewohner meint „betütteln“ zu müssen, wird gerügt.
Für den seelischen Durst und geistigen Hunger der Menschen am Lebenende wurde bisher keine Zeit/kein Personal eingeplant. Gegen Ängste und Unruhe gibt es Tabletten. Gegen Niedergeschlagenheit auch. In sich zurückgezogen, teilnahmslos, alles über sich ergehen lassend, verbringen die wohl allermeinsten Bewohner*innen unserer Heime ihre letzten Lebensmonate. Viele sind nur noch körperlich anwesend, werden mitunter jahrelang in einem Zustand am Leben erhalten, wie ihn niemand von denen die das zu verantworten haben, für sich selbst wünschen würde.
Der von der Gesellschaft bislang akzeptierte oder einfach nur verdrängte Umgang mit alten Menschen am Lebensende schreit förmlich zum Himmel. Selbst in Heimen mit einem christlichen Träger können Bewohner keineswegs auf die „Seelsorge“ vertrauen, die ja gerade an der Schwelle zum Jenseits hilfreich wäre. Auch jetzt in der Corona-Krise, kommt von den führenden Köpfen der christlichen Kirchen nichts als Verständnis für die Schutzisolierung wegen Corona. Unsere berufsmäßigen „Seelsorger“ wollen das Leben der Heimbewohner nicht in Gefahr bringen und bleiben dann gleich ganz draußen.
Aktuell erhalten wir die Rechnung für die Gesundheits- und Pflegepolitik der vergangenen Jahrzehnte. Deutschland mag sich hier noch trösten, weil Corona in anderen Ländern viel gößere Missstände und Versäumnisse aufgedeckt hat. Heute schon steht fest, dass die Corona-Schäden mit Geld nicht zu bezahlen sein werden.
„Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen.“
Wolfgang Schäuble, Bundestagspräsident, 29.04.2020
Pflegeethik Initiative – Corona-Brandbrief
Anlage:
Quarantäne-Ausnahmeregelung für Pflegekräfte: Anlage 3 Quarantäne
In Altenheimen wird Schutz zur Gefahr (Süddeutsche Zeitung vom 30.04.2020)
Corona macht die Katastrophalen Zustände in Alten- und Pflegeheimen sichtbar: „Das hier ist ein Friedhof für Lebende
Wenn Pflegeheime zur tödlichen Falle werden (WELT am Sonntag, 26.04.2020)
Pfleger auf dem Pulverfass. Ein Heimleiter berichtet (Merkur 24.04.2020)